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06.11.2006 :: Interview mit Jeannine Herrgesell

03Jeannine Herrgesell erkämpfte sich bei der WM mit dem Team eine Bronzemedaille. Neben dem Leistungssport ist sie selbst als Trainer tätig und arbeitet hauptberuflich als Physiotherapeutin. Nach dem Gewinn bei der WM schildert Jeannine ihre Gedanken und Eindrücke.






Du hast es geschafft - WM Dritte - was denkst du darüber, wie geht es weiter?

WM-Dritte, das klingt krass. So richtig kommt das noch gar nicht bei mir an, dass ich wirklich dabei sein konnte. Dafür habe ich lange und hart kämpfen müssen und als ich angefangen habe, an Wettkämpfen teilzunehmen, hatte ich noch nicht einmal die Idee, dahin zu wollen. Damals wollte ich nur zeigen, dass auch Frauen so fetzige Fußtritte können wie die Männer. Bei einer WM oder EM ist das aber der falsche Gedanke. Dort kommt es mehr darauf an, sichere Punkte zu sammeln.

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Du arbeitest jetzt, wirst du von deinem Arbeitgeber unterstützt?

Oh ja, da habe ich sehr viel Glück. Als gelernte Physiotherapeutin habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht, es macht mir Freude, den Menschen Schmerzen zu nehmen und auch, ihnen zu einer besseren Lebensqualität zu verhelfen. Mit Antje Hilger habe ich nicht nur eine gute Chefin gefunden, sondern auch eine Chefin die immer ein offenes Ohr für meine Probleme hat. Ich darf unheimlich selbstständig arbeiten, was in unserem Beruf auch Vertrauen voraussetzt und es wurde mir bisher immer ermöglicht, diverse Vorbereitungswettkämpfe und Trainingslager besuchen zu können. Oftmals muss man dafür mindestens einen Tag frei nehmen, für WM und EM war es sogar jeweils eine ganze Woche. Das ist viel Zeit, zumal man auch für Fortbildungen manchmal eine Woche am Stück ausfällt und davon habe ich dieses Jahr auch einige besucht.


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Was bedeutet der Karatesport für dich?

Seit ich Karate betreibe, ist es mein Leben geworden oder zumindest ein fester, auf jeden Lebensbereich einflussnehmender Bestandteil dessen. Als ich mit Karate angefangen habe, lief ich zu Hause und in der Schule nur mit Gewichtsmanschetten herum, um athletischer zu werden. Lichtschalter kickte ich mit dem Fuß an und aus. Es ist für mich nicht wegzudenken, weder körperlich noch geistig. Der Spruch "Der Geist schult den Körper und der Körper schult den Geist" enthält unheimlich viel Wahrheit und ist für mich persönlich ein Schlüssel zur Zufriedenheit und auch eine gewisse Art von Glück (wahrscheinlich Endorphine).


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Wie geht es weiter... ?
Zuerst einmal habe ich mich geerdet und genossen, diesen großen ungewohnten Druck los zu sein, habe meinen Hund genommen und bin spazieren gegangen. In der nächsten Zeit werde ich mich bemühen, den vielen Menschen zu danken, die mir die ganzen letzten Jahre so toll zur Seite gestanden haben. Vor allem meine Familie hat mich kaum gesehen und mich trotzdem spüren lassen, dass sie stolz sind und mir helfen, wenn Hilfe nötig ist. Und auch mein Trainer hat sehr, sehr viel Geduld und Zeit investiert, damit eine WM-Teilnahme für mich überhaupt möglich werden konnte. Sportlich werde ich daran arbeiten, meine allgemeine Kraftausdauer zu verbessern, um Verletzungen und Schäden durch das intensive Training vorzubeugen und ich möchte es schaffen, mich mental besser im Griff zu haben, um starkem Druck nicht so "hilflos" ausgeliefert zu sein. Das kann man auch trainieren. Ich glaube, das ist mein wichtigstes sportliches Ziel. Beruflich stehen in den nächsten Wochen Weiterbildungen an, auf die ich mich sehr freue.

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Jeannine Herrgesell

am 22. September 1977 geboren






 
Sportliche Laufbahn:


Ohne Sport geht es einfach nicht, von Kindesbeinen an nahm Sport einen sehr hohen Stellenwert ein.

- Ballett mit sechs Jahren

- Leistungsschwimmen

- Leichtathletik

- Geräteturnen

- Basketball

- Mit 16 Jahren mit Karate begonnen

 
    

Erfolge:


World Cup Siegerin 2006

Weltmeisterschaft Bronze 2006

Europameisterin 2001 (WadoRyu)

Europameisterschaft Bronze 2005
Italien Open Zweite 2005

British Open Zweite 2004
7 DM Platzierungen

 
Karate Laufbahn:

- anfangs nur zwei mal wöchentlich Training

- 1996 Gründung des Vereins SEIWAKAI zusammen mit Marco Thierbach

- 1998 Prüfung zum ersten Dan

- 2001 Aufnahme in die Deutsche Nationalmannschaft

- 2002 Vizemeisterin beim Wado World Cup in Moskau

- 13.12.2002 Riss des Kreuzbandes – Trainingsverbot

- September 2003 wieder mit Karate begonnen

 

 

Nach der Operation am Knie musste ich noch Zwangspausieren. Das war die schwerste Zeit überhaupt und ganz oft war ich nahe dran, alles hinzuschmeißen. Das Schwierige war, wieder Vertrauen zu meinem Bein zu bekommen, sicher sein zu können, dass es auch hält, was vor der OP nicht der Fall gewesen war. Außerdem fehlten Timing, Gefühl für den Kampf und den Gegner. Wenn man mit Karate anfängt, wächst man in all das langsam hinein und dann plötzlich muss man von null auf 100 alles wieder können. Das geht nicht. Und man merkt, dass der Kopf alles weiß aber der Körper kann es nicht umsetzen.

 

Mein Neustart ging ganz gut, obwohl mein Knie nicht wirklich richtig mitspielen wollte und ich somit auf eine Auslage festgelegt war. Das war ganz neu für mich, weil ich sonst immer alles mit jeder Seite in jeder Situation umsetzen konnte. Ab 2005 startete ich in der Klasse +60kg damit ich während meiner Prüfungen nicht auf's Gewicht achten musste. Das ist bis heute so geblieben, obwohl ich mich jetzt doch etwas anstrengen muss, um mich gegen die im wahrsten Sinne des Wortes, schweren Konkurrentinnen behaupten zu können.. Da es in Deutschland momentan jedoch keinen Nachwuchs für +60kg gibt, möchte ich bei dieser Gewichtsklasse bleiben.

 

Obwohl ich diesen Traum schon mehr oder weniger abhaken wollte, durfte ich 2005 erstmals an einer, an der Europameisterschaft teilnehmen und konnte mir den dritten Platz erkämpfen. Damit war ich qualifiziert für die WM in Finnland! Bei dieser erkämpfte unser Team den dritten Rang. Leider konnte ich im Einzel nicht wirklich punkten und flog raus. Das hat mich schon recht weit zurückgeworfen und ich hatte auch nicht gedacht, dass das alles so an die eigene Substanz geht. Vielleicht nehme ich oder nehmen wir Deutschen im Allgemeinen das zu ernst. Sportlicher Erfolg hat nichts mit der Person an sich zu tun, man bleibt trotzdem die Selbe Person, ob erfolgreich oder nicht. Und was ich mir immer wieder sagen muss: wer kann schon alles von sich behaupten, aktiv an einer WM teilgenommen zu haben? Man muss es erst bis dahin schaffen und dann sind dort die WELTBESTEN!






Text und Fotos: Ralf Ziezio
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